Patientenschicksale

Noor

Eines Tages kam ein Tagelöhner in unsere Ambulanz mit einem kleinen Bündel schmutziger Decken im Arm. Er und seine Frau hatten ihre vier Monate alte Tochter Arifa darin eingewickelt. Arifa brauchte dringend eine Ableitung des Hirnwassers in den Bauchraum, da sie an einem Hydrozephalus litt.

Sabur

Sabur ist gerade mal zehn Monate alt, als er mit seiner Mutter ins Irene Salimi Kinderhospital kommt. Etwa fünf Autostunden von Kabul entfernt liegt die Provinz Nangarhar (an der pakistanischen Grenze), aus der Sabur und seine Mutter kommen. Er benötigt dringend kinderchirurgische Hilfe im Bereich der ableitenden Harnwege. Als er vier Tage alt war, wurde er bereits wegen seiner Blasenekstrophie operiert, doch das Ergebnis der Operation war unbefriedigend. Das behandelnde Krankenhaus hat ihn daraufhin an das ISH verwiesen. Dr. Ajmal, Chefarzt der Chirurgie im ISH, wiederholte die Operation dieses Mal erfolgreich. Sabur wird gemeinsam mit seiner Mutter noch zwei Wochen zur Beobachtung auf Station bleiben. Dann kann Sabur endlich gesund mit seiner Mutter wieder zurück zu den sechs Geschwistern nach Nangarhar.

Paiman

Paiman kam mit seiner Mutter zum ersten Mal in die Ambulanz des ISH, als er einen Monat alt war. Die Mutter hatte die Fehlstellung seines rechten Fußes frühzeitig erkannt. Paiman hatte einen Klumpfuß. Die Ärzte/Ärztinnen konnten die Stellung des Fußes durch eine konventionelle Gips-Therapie verbessern. Im ersten Monat kam er zum Eingipsen in die Ambulanz, im zweiten Monat noch jede zweite Woche. Anschließend arbeitete der Physiotherapeut im ISH mit Paiman und zeigte seiner Mutter verschiedene Übungen. Da sie nicht in Kabul lebten, konnte sie so ihrem Sohn zu Hause weiterhelfen. Später kam Paiman noch stationär ins ISH, um sich einer Operation an seiner verkürzten Achillessehne zu unterziehen. Noch ist er zu klein zum Laufen, aber schon bald wird er auf eigenen Füßen stehen und dank der frühzeitigen Behandlung normal gehen können.

Breshna

Breshna litt bis zu ihrem fünften Lebensjahr an beidseitigen Klumpfüßen. Da sie schon so alt war, ist eine Behandlung weitaus schwerer und langwieriger als bei Paiman, der schon kurz nach seiner Geburt ins ISH gebracht wurde. Sie kam mit ihrer „Bibi“, ihrer Oma, aus Nangarhar nach Kabul. Sie schaute verträumt und abwesend, wenn sie mit ihrer Oma auf der Bank vor dem Hospital saß und eine Mango aß. Zur Vorbereitung der Operation musste Breshna physiotherapeutisch behandelt werden. Ein Gips reichte bei ihrem Alter nicht mehr aus, um die Fehlstellung zu korrigieren. Sie brauchte zwei Operationen und musste noch längere Zeit im ISH verweilen.

Schabnam

Früh am Morgen kamen eine alte Frau und ein Mann mit einem kleinen Bündelchen auf dem Arm in unsere Ambulanz. Der Mann hatte eine Infusionsflasche in der Hand, deren Schlauch im Bündelchen verschwand. Sie kamen direkt aus der Uniklinik Jallalabad, Provinz Nangarhar, mit dem öffentlichen Bus. Als wir das Bündelchen auspackten, kam ein kleines, süßes Mädchen von neun Tagen und zwei Kilogramm Gewicht zum Vorschein.

Es stellte sich heraus, dass die alte Frau die Großmutter des Kindes war und der Mann sein Vater. Der Säugling konnte keine Nahrung bei sich behalten und wurde mit Infusionen am Leben erhalten, bis er stabil genug für die Reise war.
Das Mädchen war mit einem Kaiserschnitt zur Welt gebracht worden und wurde nach drei Söhnen in der Familie endlich als die lang ersehnte Tochter gefeiert. Nach eingehender Untersuchung stellten wir fest, dass ein Teil des Dünndarms verschlossen war. Wir nahmen Bibi Tschan (liebe Großmutter) und ihre Enkelin sofort ins ISH auf und bereiteten die OP vor. Als wir bei der Aufnahme den Vater nach dem Namen seiner Tochter fragten, sagte er uns, dass der Säugling noch keinen Namen habe und wir ihm doch einen Namen geben sollten. Da sie so früh bei uns ankamen und das Mädchen gleichsam tropfenweise am Leben erhalten wurde, fand Dr. Adschmal, dass der Name Schabnam, zu Deutsch: Morgentau, treffend sei, und alle waren damit einverstanden. Noch am gleichen Tag wurde Schabnam operiert. Danach kam sie auf unsere kleine Intensivstation. Dank der guten Fürsorge ihrer Großmutter, die sie beständig streichelte, durchs Zimmer trug, herzte und mit ihr sprach, sowie unserer guten medizinischen Pflege gedieh Schabnam zusehends. Am sechsten Tag nach der Operation bekam sie alle halbe Stunde fünf Milliliter Tee. Sie konnte die Flüssigkeit aufnehmen. Wir waren glücklich. Alles lief gut. Schon am nächsten Tag konnten wir langsam Milch zugeben und am zwölften Tag nach der Aufnahme durfte Schabnam gesund zu ihrer Mutter zurück, die täglich per Handy angerufen hatte und sich liebevoll nach ihrem kleinen Morgentau erkundigte.

Nasrin

Nasrin wurde uns abends gegen neun Uhr mit akutem Darmverschluss gebracht. Eineinhalb Jahre alt brachte sie nur 6,5 Kilogramm auf die Waage. Die Operation musste sofort durchgeführt werden, damit Nasrins Leben gerettet werden konnte. Dazu holten wir unseren Chirurgen und unseren Anästhesisten von zu Hause ab. Wegen eines Selbstmordattentats durch eine Bombe in der Nähe der amerikanischen Botschaft waren an jeder Straßenkreuzung Posten aufgestellt. Es war unseren Ärzten/Ärztinnen deshalb nicht möglich, in Privatautos oder Taxis zu kommen. Wir mussten sie mit unserem Krankenwagen abholen. Nach zwei Stunden und vielen Sicherheitskontrollen war es geschafft und die OP konnte beginnen. Unsere Chirurgen entfernten einen Knäuel weißer Askariden. Es stand Spitz auf Knopf, aber inzwischen ging es Nasrin ganz ordentlich, und sie nahm täglich dank der aufmerksamen Pflege unseres Teams an Gewicht und Lebendigkeit zu. Alles in allem war es ein mitternächtlicher Einsatz, der sich gelohnt hat.

Shamshed

Shamshed war elf oder zwölf Jahre alt und hatte einen Verkehrsunfall in Jalallabad, der Provinzhauptstadt Nangahars im Osten Afganistans. Obwohl es dort eine große medizinische Fakultät an der Universität gibt, blieb der Junge zehn Tage unbehandelt liegen. Mit vielen Frakturen und offenen, eiternden Wunden wurde Shamshed im Taxi zu uns gebracht. Mehrere Operationen waren notwendig und eine sorgfältige, saubere Wundversorgung, um Shamshed wieder völlig herzustellen. Nach einigen Wochen konnten wir ihn getrost auf eigenen Beinen wieder nach Hause schicken. Nachdem sich Shamshed zu Hause gut erholt hatte, kam er mit seinem Vater zur Nachsorge ins Kinderhospital und unterzog sich nochmals einem kleinen Eingriff, damit auch das Knie wieder voll funktionsfähig und schmerzfrei werden konnte.

Mursal

Mursal stammt aus Baghlan, einer Provinz hinter dem Hindukush (von Kabul aus gesehen), aus der Nordregion Afghanistans. Das Mädchen kam mit einer Störung des Bauchwandverschlusses zur Welt. Gleich nach der Entbindung brachte der Vater Mursal ins Kreiskrankenhaus Baghlan, nach zwei Tagen wurden sie weitergeschickt nach Pul-e-Khumri ins Provinzkrankenhaus, von dort weiter ins Indira Gandhi Kinderkrankenhaus und zuletzt zu uns ins Irene Salimi Kinderhospital. Wertvolle Tage waren durch diese Odyssee ohne Therapie verloren gegangen. Insgesamt musste Mursal dreimal operiert werden, damit der Unterleib verschlossen werden konnte. Einmal wurde sie sogar wiederbelebt und 24 Stunden rund um die Uhr auf der Intensivstation überwacht. Allein durch ihren ungeheuren Lebenswillen und dank intensiver Pflege entwickelte sich Mursal zum Stolz ihres Vaters und konnte nach gut drei Monaten als kleines Energiebündel zurück in ihre Familie entlassen werden.

Fahima

Fahima war neun Jahre alt und wurde zwei Jahre auf Tuberkulose behandelt, aber ihr Zustand verbesserte sich nicht. Schließlich brachten ihre Eltern sie ins ISH. Unsere Ärzte/Ärztinnen stellten fest, dass der linke Lungenflügel beeinträchtigt war. Ultraschall und Röntgenbild zeigten, dass sich von Geburt an das Zwerchfell auf der linken Seite nicht verschlossen hatte und nun statt Lungengewebe im linken Brustkorb Darmschlingen lagen. Durch den gelungenen Eingriff konnte der Darm wieder in den Bauchraum verlagert, das Zwerchfell verschlossen werden und sich die linke Lunge wieder ausbreiten. Gesund und mit neuem Lebensgefühl konnte Fahima nach zwei Wochen den Weg nach Hause antreten.

Arifa

Eines Tages kam ein Tagelöhner in unsere Ambulanz mit einem kleinen Bündel schmutziger Decken im Arm. Er und seine Frau brachten ihre vier Monate alte Tochter Arifa von Qandahar zu uns. Arifa hatte einen ausgeprägten Hydrozephalus. Das Gehirnwasser konnte nicht richtig abfließen. Für die Familie war es schwierig, das Geld für die Drainage aufzubringen, die das Abfließen des Wassers vom Kopf in den Bauchraum ermöglicht – von den Kosten für Operation, Pflege, Medikamente etc. ganz zu schweigen. Im ISH fand die Familie endlich Hilfe für ihre kleine Tochter. Arifa wurde erfolgreich operiert und sah nun einer besseren Zukunft entgegen.

Zamina

Zwei Schwestern brachten uns vom Geburtshospital Malalai ein ca. zwei Monate altes, unterernährtes Mädchen. Es war nachts vor ihrem Hospital ausgesetzt worden. Zarmina hatte eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte und eine deformierte Nase. Die Geschichte von Zarmina haben wir ausführlich in einem Freundesbrief erzählt.